Vor ein paar Tagen hörte ich mal wieder diese sprachliche Floskel: „Man muss immer alles positiv sehen“, so antwortete eine junge Dame, auf die Anregung ihres Gegenübers, einen positiven Aspekt ihrer Problemschilderung zu beachten.
Nun – ich könnte jetzt darüber philosophieren, was die andere Person dazu veranlasste, nicht auf die Problemschilderung der Dame genauer einzugehen. Doch ist der Satz der Dame zu verführerisch, um die sechs Worte im Einzelnen nicht aufzugreifen.
Also:
- Man. --- Wie würde es für die Dame sein, "Ich“ zu sagen. Könnte sie das überhaupt so für sich formulieren? Was wäre dann anders für sie?
- Muss. --- Wer bestimmt das? Was wäre anders, wenn sie es als eine Möglichkeit formuliert („könnte“), oder als einen Wunsch (möchte)?
- Immer. --- Also jederzeit. 7Tage/24Stunden. Wie ist die Vorstellung für die Dame, wenn sie "mal" etwas als „schlecht“ benennen würde? Könnten (subjektiv) negative Geschehnisse schlecht zugelassen werden?
- Alles. --- Komplett, vollständig, lückenlos. Ohne Ausnahme? Das Gesamt an Begegnungen, Situationen, Gegebenheiten, Sachlagen, Anforderungen, Erwartungen.... Alles --- es sollte mal einen Gedanken wert sein.
- Positiv. --- Nach welchen Kriterien bewertet die Dame etwas als „positiv“? Welche Eigenschaften besitzt etwas, wenn es als positiv bewertet wird? Gibt es Abstufungen? Ist es dann doch irgendwann „schlecht“?
- Sehen. --- Hier drängt sich die Frage auf: Wenn „das alles“ nicht zugelassen werden kann, wird die Dame dann wegsehen? Und: wohin? Auf das „Positive“? – kann es auch das Gänseblümchen am Straßenrand sein? Die Sonne am Himmel?
Nein - dies ist kein Plädoyer von mir für das Gegenteil, also: das Negative zu beachten. Aber wohl dafür, realistisch zu prüfen, welche Aussagen wir machen und was diese für uns bedeuten. So kann jeder für sich selbst ggf. prüfen: Was könnte so unangenehm, an vermeintlich „Negativem“ sein, dass „alles immer positiv gesehen werden muss“?
Nun – ich finde ja: „Manchmal muss man einfach mal der Realität ins Auge blicken“ 😉 :))