„Denken Sie bei diesem Anblick an Zecken?“ In einer Apothekerzeitschrift las ich neulich diese Überschrift. Und abgebildet war ein idyllisches Bild von einer Familie mit spielenden Kindern auf einer Wiese.
Die innerliche Ruhe änderte sich in ein nagendes Unbehagen. Zecken? Ohje. Vielleicht ja auch auf unserer Wiese…? Sollte ich lieber was gegen Zecken kaufen…? Und deutlich häufiger als sonst, wenn ich durchs Gras gehe, denke ich nun an Zecken.
Vielleicht haben Sie Ähnliches auch schon mal in Ihrem Umfeld erlebt: Sie müssen unterschreiben, dass Sie etwas abgelehnt haben und nicht(!) zusätzlich kaufen wollten – und die Gefahren und Nachteile die mit dem Nichtkauf verbunden sind werden mündlich und im Vertrag aufgeführt. Ver-rückte Welt? Nein. Im Gegenteil: Grandiose Idee. Oder besser: subtile Machtübernahme.
Denn wie ging es Ihnen danach? Haben Sie häufiger als Ihnen lieb war an das gedacht, was Sie abgelehnt haben? Wahrscheinlich.
Ähnliche Fragen stellen manchmal auch Menschen aus dem privaten und beruflichen Umfeld:
- „Und du meinst wirklich, dass du das alleine schaffst? Soll ich dir nicht doch besser helfen?“
- „Bist du sicher, dass du das wirklich machen willst? Willst du dir das nicht nochmal überlegen?“
Kennen Sie solche „Ratschläge“, in denen zuerst eine „geistige Brandbombe“ gesetzt wird und dann auf die eine oder andere Weise Hilfe angeboten worden ist? Und ärgert es Sie hinterher, dass Sie dann auch noch „Danke“ sagen müssen? Zwar wurde Ihnen geholfen und es ist vielleicht auch besser als vorher. Doch bleibt ein „komisches Gefühl“?
So eine ganz ehrliche Freude über das Erreichte, Geschaffte, Erledigte ist nicht da?
Dann können Sie sicher sein, dass irgendwas (in Ihnen) nicht stimmig ist. Selbst wenn das „Ergebnis“ an sich gut war.
Die eigene Kompetenz und das Gefühl der Handhabbarkeit, die Überzeugung, das eigene Leben gestalten zu können wird infrage gestellt. Wenn auch nur auf eine kleine Situation bezogen. Doch der Zweifel an der eigenständigen Bewältigung einer Situation ist gesät worden.
Und vielleicht wurde auch das eigene Autonomiebedürfnis untergraben – und zwar von Ihnen selbst. Die andere Person hat nur den Gegenspieler aktiviert: Das Sicherheitsbedürfnis.
Und genau das ist eines der Dilemmata des Menschen: Als soziales Wesen stehen wir immer zwischen dem Bedürfnis als autonomes Wesen selbstwirksam handeln zu wollen und können trotzdem nicht ohne die Sicherheit und den Schutz auskommen, nicht ohne diese wichtigen Grundbedürfnisse und nicht ohne soziale Kontakte.
Wenn wir einen „gutgemeinten“ Einwand ablehnen, begeben wir uns daher häufig in die innere Zwickmühle: Wir handeln zwar autonom, können die Situation wieder selbst gestaltetn, mit eigenen Ressourcen. Doch geben aber gleichzeitig dem anderen einen Korb, weisen ihn zurück. So fühlen wir uns unter Umständen dann als doppelte Verlierer: wir verlieren das Wohlwollen des „guten Hirten“, einer Gemeinschaft und haben mutmaßlich den Nachteil oder könnten unter der Gefahr leiden, den/die die Situation (sozial und sachlich) mit sich bringen kann.
Unser evolutionär einfach denkendes Gehirn musste sich entscheiden: Die Freiheit/Selbstwirksamkeit oder Sicherheit/Zugehörigkeit; haben Sie „ja“ gesagt oder unterschrieben, entscheidet es sich für das Zweite.
Eine der Fragen, die Sie an sich selbst stellen sollten, ist also: Wie fühle ich mich, wenn ich mir helfen lasse? Ist das Gefühl gut, oder macht sich eher ein unangenehmes Gefühl breit?
Wie häufig passiert Ihnen das? In welchen Situationen, mit welchen (gleichen?) Menschen? Gibt es etwas, das sich wiederholt?
Mit diesen Fragen kommen Sie dem näher, was Carl Rogers „Kongruenz“ genannt hat: die Übereinstimmung von Denken, Fühlen, Handeln.
Und das fühlt sich gut an.